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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 360

Prunkdegen, bayerisch um 1865, aus dem Besitz des Prinzen Adalbert von Bayern (1828-1875). Arbeit des Schwertfegers Johann Baptist Stroblberger (1820-1894), München,

Verschraubtes Messinggefäss, aus gegossenen und ziselierten Teilen zusammengesetzt, vergoldet. Grosser, konischer, vasenförmiger Knauf, gewulstete Basis mit zwei Rillen, der Knaufdekor besteht zur Hauptsache aus vier kreisförmigen Kartuschen, deren Flächen von Kreuzen mit gerundeten Armen eingenommen werden. Grosser, zweistufiger Vernietknauf mit knospenartigem Abschluss, der Vernietknauf dient als Schraube. Den Abschluss der vertikal S-förmig geschweiften Parierstange bilden Frauenköpfe im altägyptischen Stil, Griffbasis beidseitig mit bärtigen Maskarons zwischen Voluten, zwei Ziergriffhaken. Längliches, aus zwei gleich verarbeiteten Hälften bestehendes, schalenförmiges Stichblatt, ein Stichblattende mit Muschelfortsatz, das andere teilt sich und geht in zwei Lappenfortsätze über, deren Enden kleine, stilisierte Delphine schmücken. Der ziselierte ornamentale Dekor auf der Aussenseite des Stichblattes basierend auf Ranken und Blüten ist symmetrisch angelegt, die zentrale Kartusche auf beiden Stichblatthälften entspricht den Knaufkartuschen. Der gravierte und punzierte Dekor auf der Stichblattinnenseite ist mit demjenigen auf der Aussenseite weitgehend identisch. Der massive walzenartige Griff weist terz-und quartseitig den gleichen ornamentalen, aus Ranken und Blüten zusammengesetzten Dekor auf.
Zweischneidige Klinge (Länge 97,8 cm, Breite 1,4 cm), Fehlschärfe, dann sechskantiger Querschnitt. Geschwärzte Lederscheide, Messinggarnitur vergoldet, Mundblech und Stiefel weisen beidseitig einen gravierten Dekor auf. Den grossen Tragknopf schmückt das von einer Krone überhöhte Allianz-Wappen, Wittelsbach/Bayern-Bourbon/Spanien.

Gesamtlänge: 118 cm Gewicht (ohne Scheide): 1050 g
Provenienz: Galerie Fischer, Luzern, 25.11.1959, Nr.540.

Kommentar

In der Auktion vom 25.November 1959 verkaufte die Galerie Fischer eine bedeutende Gruppe von «Waffen aus dem ehemaligen Besitz eines kgl. bayerischen Prinzen», Kat.Nrn.528-540. Ein Grossteil der angebotenen Prunkdegen und Prunkrapiere gehörte ursprünglich Prinz Adalbert von Bayern (1828-1875), dem jüngsten Sohn des bayerischen Königs Ludwig I. (reg.1825-1848).
Mehrere Waffen tragen die Signatur der beiden bekannten Münchner Schwertfeger Stroblberger. Johann Nepomuk Stroblberger (1794-1862) und sein Sohn Johann Baptist Stroblberger (1820-1894) belieferten das bayerische Königshaus, den Adel, Militär und Beamtenschaft aber auch Private mit ihren Griffwaffen. Sie zählen zu den besten und kreativsten deutschen Griffwaffenherstellern des 19.Jahrhunderts. Johann Baptist Stroblberger wurde vor allem durch seine seit ca. 1860 in zunehmendem Masse dem Historismus verpflichteten Prunkgriffwaffen bekannt. Der Dekor einiger Griffwaffen des Prinzen Adalbert, der 1856 in Madrid die spanische Infantin Amalia (1828-1905) heiratete, nimmt Bezug auf die Verbindung der beiden Königshäuser, so auch die vorliegende Waffe mit einem entsprechenden Allianzwappen, Wittelsbach-Bourbon-Spanien. Trotz fehlender Signatur kann auf Grund der Provenienz und mit Hilfe eines Stilvergleichs Johann Baptist Stroblberger als deren Hersteller bezeichnet werden. Die Beschaffenheit des Gefässes und der Klinge machen deutlich, dass bei Historismus-Griffwaffen die Funktionalität oftmals zugunsten ungezügelter Gestaltungs-und Dekorationslust vernachlässigt oder wie in diesem Fall gänzlich aufgegeben wurde. Der Degen bildet mit dem Rapier B 361 eine Garnitur. Vgl. auch Kommentar und Literatur zu B 361.
Literatur: Barocker Luxus, das Werk des Zürcher Goldschmieds Hans Peter Oeri (1637-1692), hg.Hanspeter Lanz, Jürg A.Meier, Matthias Senn, Zürich 1988, S.262-263.