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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 503

Schweizerdolch,
schweizerisch, im Stile des 16. Jahrhunderts, Arbeit um 1880, Atelier des Johann Karl Silvan Bossard (1846 – 1914), Luzern

Dolch: Knauf- und Parierschiene aus vergoldetem Messing, gravierter ornamentaler Dekor, als Abschluss dient ein kleiner kugeliger Vernietknauf über einer Unterlagsrosette. Glatter Buchsbaumgriff von rhombischem Querschnitt, schmale, flache Seitenkanten.
Zweischneidige, rhombische Klinge (Länge 26,3 cm, Breite 5,8 cm), Ätzdekor, Grund teilweise geschwärzt, Wappen der Luzerner Familie von Pfyffer mit doppeltem Helmschmuck und Helmzierden, dazu symmetrisch angeordnetes, ornamentales Blattwerk, das in einem Schlangenpaar und einem Porträtmedaillon endet.
Waffenlänge: 39 cm, Gewicht (ohne Scheide): 401 g, Gewicht (mit Scheide): 789 g
Scheide: Aus mehreren, vor allem gegossenen Messingteilen zusammengesetzt, die nachträglich ziseliert und vergoldet wurden. Dekor auf der gewölbten Vorderseite: Darstellung einer alttestamentarischen Szene, «Jephta und seine Tochter» (Richter XI. 30 – 40). Das in der Scheide untergebrachte Besteck besteht aus zwei Pfriemen mit vergoldeten Messingknäufen.

Scheidenlänge: 32,4 cm
Provenienz: Auktion Galerie Fischer, Luzern, 22. 11. 1962, Nr. 245.

Kommentar

Für Dolch und Scheide hielt sich der Luzerner Goldschmied Bossard an originale Vorlagen, die mit einer gewissen künstlerischen Freiheit umgesetzt wurden. Als Besitzer kommt der 1885 zum Generalstabschef beförderte Oberstdivisionär Max Alphons von Pfyffer (1834 – 1890) in Frage, der das Dolchensemble entweder persönlich in Auftrag gab oder dieses geschenkweise erhielt. In Anlehnung an den älteren Schweizerdegen mit schmaler, langer Stossklinge entstand um 1510 eine kürzere Version mit breiter Klinge – der Schweizerdolch. Die Gefässe von Schweizerdegen und Schweizerdolch sind von auffallender Ähnlichkeit. Das abgeflachte Griffstück aus Buchsbaumholz endet einerseits in der Parierschiene, andererseits in der als Gegenstück konzipierten Knaufschiene. Die immer prunkvoller werdenden Scheiden aus vergoldetem Silber und Messing machten den Schweizerdolch, einst Symbol schweizerischen Reisläufertums, zum Prestigeobjekt. Er wurde von Offizieren, Gelehrten, Kaufleuten, aber auch vermögenden Handwerkern und Bauern bis um 1600 mit gleicher Selbstverständlichkeit getragen. Berühmte Schweizer Künstler wie Niklaus Manuel, genannt Deutsch (1484-1530) und der Haudegen Kurt Graf (um 1485-1527) führten den Dolch als Teil ihrer Signatur. Dies zeigt den hohen Symbolgehalt, welcher diese Waffe für die Eidgenossenschaft zukam. Die reich gearbeiteten Scheiden gestalteten Goldschmiede und Gürtler nach unterschiedlichen Bildprogrammen, z.B. zum Thema der Tellsgeschichte, auch Szenen aus der antiken Mythologie oder biblische Motive waren beliebt.
Auf der abgebildeten vergoldeten Dolchscheide (Länge 32,4 cm) wird eine alttestamentarische Szene, die Geschichte Jephtas und seiner Tochter, im Bilde festgehalten (Richter XI). Der als Sieger über die Ammoniter nach Hause zurückkehrende Jephta wird von seiner Tochter empfangen. Weil er gelobt hatte, den ersten Menschen zu opfern, der ihm nach seinem Siege aus der Türe seines Hauses entgegenträte, zerreisst der unglückliche Vater sein Gewand. Dennoch enthauptet er, getreu seinem Gelübde, das von den Gespielinnen beklagte einzige Kind. In seiner Bereitschaft, sich allen Konsequenzen eines geleisteten Eides zu unterziehen, galt Jephta als beispielhaft.
Ein neues Interesse an diesen prestigiösen Waffen als Zeugen nationaler Eigenständigkeit und kriegerischer Erfolge bewirkte zu Ende des 19. Jahrhunderts eine Nachfrage, der nur noch mit der Herstellung qualitätsvoller Kopien genügt werden konnte. Seit 1868 unterhielt Johannes Karl Silvan Bossard (1846 – 1914) in Luzern ein Goldschmiedeatelier, das sich auf die Nachbildung alter Stücke und auf stilgerechte Neuschöpfungen spezialisiert hatte. Bezeichnenderweise befindet sich – als Firmensignet – ein reliefierter Schweizerdolch an der Unterseite des Erkers am Haus der Goldschmiedefamilie Bossard, Rössligasse 1, in Luzern (auch sog. Von Laufen-Haus). Bossard belieferte bald einmal eine grosse in- und ausländische Kundschaft. Als Besitzer des Dolches kommt der Chef des schweizerischen Generalstabsbureaus (1885-1890) und Schöpfer der Gotthardbefestigungen, Oberstdivisionär Max Alphons Pfyffer von Altishofen (1834-1890) in Frage, der seine militärische Karriere als Offizier in neapolitanischen Diensten (1852-1861) begann. Von 1861 bis 1875 gehörte Pfyffer dem eidgenössischen Generalstab an den er 1875 im Range eines Obersten verliess; 1875-1877 kommandierte er die Infanterie Brigade 8, von 1877 bis 1890 die 8.Division. Zu den Auftraggebern oder Empfängern von Schweizerdolchen der Firma Bossard zählten offensichtlich auch namhafte Vertreter von Luzernerfamilien, wie die von Pfyffer, deren Wappen auf der Klinge (Länge 26,3 cm, Breite 8,8 cm) erscheint. In den Schweizerdolchscheiden stecken jeweils als praktisches Zubehör ein kleines Messer und ein Pfriem. Das Vorhandensein von zwei Pfriemen (Längen 15,7/13,5 cm) lässt auf nachträglichen Ersatz für ein fehlendes Messer schliessen.
Literatur: Slg. Carl Beck, Katalog 1998. S. 25/27, Nr. 3, Farbtafel. Rudolf Jaun, Der Schweizerische Generalstab, Das Eidgenössische Generalstabskorps 1904 - 1874, Vol.III, Basel - Frankfurt am Main, S.138.