zurück
zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 688

Degen,
österreichisch, um 1890, für ein Mitglied des Malteserordens, aus dem Besitz von Leopold, Graf Berchtold von und zu Ungarschitz, Aussenminister des Kaiserreiches Österreich-Ungarn, 1912 – 1915

Silbergefäss, aus gegossenen und ziselierten Teilen zusammengesetzt, vergoldet, mit Ausnahme des Griffstücks. Auf dem Ansatz des Knaufes in Form eines Spangenhelms sind beidseitig zwei kleine Malteserkreuze angebracht. Der als Schraube konzipierte Knaufaufsatz mit einem petschaftartig gefassten Karneol dient zur Fixierung des Griffes, bzw. des Gefässes insgesamt. Aus dem Griffbügelansatz in Parierstangenhöhe, einem stilisierten Delphin mit geöffnetem Rachen, entwickelt sich der reich dekorierte Griffbügel zum Knauf hin. Parierstange mit Volutenabschlüssen, die ovale Griffbasis ist rüschenartig gefältelt und fein gerillt. Das zweiteilige Stichblatt besteht aus zwei ovalen Hälften von gleicher Grösse und Verarbeitung, die von verzierten Bordüren umrahmten Innenflächen sind in der Art des Griffes graviert. In der Mitte der vorderen Stichblatthälfte wurde ein grosses Malteserkreuz aus Silber aufgenietet, der körperseitige Stichblattteil ist abklappbar. Die gerundete, sich beidseitig konisch verjüngende, silberne Griffhülse weist ganzflächig Blattgravuren auf.
Auf der Griffrückseite befindet sich eine kleine, nachträglich mit Silberblech belegte Kartusche. Sehr wahrscheinlich wurden ein graviertes Besitzermonogramm oder Wappen aus Diskretionsgründen von Knauf und Griff entfernt.
Rückenklinge (Länge 76,4 cm, Breite 2,2 cm), auf der Klingenwurzel einseitig die «Eichhorn-Marke» der Firma Carl Eickhorn in Solingen, breiter Hohlschliff, bis zur Mitte weist die Klinge einen aus Rankenwerk und Trophäen bestehenden Ätzdekor auf. Schwarze Lederscheide, vergoldete Silbergarnitur, Vorderseite in gleicher Verarbeitung wie das Gefäss. Mundblech mit Tragknopf und Malteserkreuzdekor, Stiefel mit Ortknopf.

Gesamtlänge: 97 cm, Gewicht (ohne Scheide): 612 g, Gewicht (mit Scheide): 780 g
Provenienz: 584. Auktion Dorotheum, Wien, 17./20. 6. 1969, Nr. 808.

Kommentar

Das neubarocke silberne Degengefäss zeigt auf dem Stichblatt das «weisse», vierschenklige, in acht Spitzen endende Malteserkreuz. Dieser ausserordentlich prunkvoll gearbeitete Ordensdegen wurde bei zeremoniellen Anlässen getragen. Zur Galauniform eines Ritters des souveränen Malteserordens gehörte um 1900 ein roter Rock und Kragen mit Aufschlägen aus schwarzem, goldbesticktem Samt, goldene Epauletten, ein Zweispitz sowie weisse oder schwarze «Pantalons».
Die Anfänge des Malteser- oder Johanniterordens, wie seine ursprüngliche Bezeichnung lautete, lassen sich in die Zeit des 1. Kreuzzugs (1096 – 1099) zurückverfolgen. Nach der Eroberung Jerusalems 1099 wurde ein bereits bestehendes Hospiz zur Pflege und zum Schutz von Kranken, Pilgern und Kreuzfahrern ausgebaut und hauptsächlich von der neu entstandenen Hospitalgemeinschaft der ritterlichen Brüder vom Orden des Heiligen Johannes von Jerusalem betreut, der sich um 1130 als geistlicher Ritterorden konstituierte.
In seiner von der permanenten Auseinandersetzung mit dem Islam und seinen Machthabern geprägten Geschichte musste der Johanniterorden wiederholt seine nahöstlichen Standorte wechseln. Die Eroberung Jerusalems durch Sultan Saladin 1187 veranlasste die Johanniter, ihrem Sitz nach Akkon zu legen. Mit dem Fall von Akkon 1291 verloren sie den letzten Stützpunkt im Heiligen Land und wichen nach Zypern aus. Es gelang ihnen auf Rhodos einen eigentlichen Ordensstaat zu errichten, der bis 1522 den türkischen Streitkräften zu Wasser und zu Lande erfolgreich Widerstand zu leisten vermochte. Sultan Suleiman der Prächtige erzwang schliesslich nach schweren und verlustreichen Kämpfen den Abzug des Johanniterordens. Unter der Führung des Grossmeisters Philibert Villiers de l’Isle Adam schifften sich mit dem Einverständnis des Sultans die verbliebenen Ritter samt Ordensarchiv und Reliquien nach Europa ein.
Es war der spätere Kaiser Karl V., welcher dem Orden 1530 die Inseln Malta und Gozo sowie die Festung Tripolis an der nordafrikanischen Küste als Lehen zuwies. Die Malteser-Ritter, wie sie auch nach ihrem neuen Hauptstützpunkt bezeichneten, erfahren im Festungsbau, verwandelten Malta in eine Bastion des christlichen Abendlandes, die trotz grösster Anstrengung von den Türken nicht eingenommen werden konnte.
Im Verlaufe der Jahrhunderte erhielt der Johanniterorden in allen Teilen Europas beträchtliche Schenkungen an Grund und Boden, auf denen Niederlassungen, sogenannte Kommenden (Komtureien) gegründet wurden. Diese späterhin nach Ländern oder «Zungen» in Priorate und Balleien zusammengefassten Ordensniederlassungen weckten in der Zeit der Französischen Revolution die Begehrlichkeit der Republik, welche 1792 den Besitz des Malteserordens konfiszierte. Andere Staaten folgten dem französischen Beispiel. Es war Bonaparte, der 1798 anlässlich des Ägyptenfeldzuges Malta besetzte und die Malteser-Ritter zum Verlassen der Insel nötigte. Schon vor 1798 mit dem Machtzerfall des Osmanischen Reiches im 17./18. Jahrhundert hatte auch Malta an Bedeutung verloren, im Orden mehrten sich die Zeichen der Dekadenz.
Auch in Österreich, dem einzigen Land Europas, wo der Ordensbesitz trotz den napoleonischen Kriegen nicht eingezogen worden war, schwächte sich die Position des Malteserordens. Nur dank dem Einsatz des Grosspriors, Graf Colloredo-Wallsee, konnte das böhmische Grosspriorat als einziges erhalten werden. Die Fürsprache des österreichischen Staatskanzlers Fürst Metternich anlässlich des Kongresses von Aachen 1818 veranlasste die Kongressteilnehmer, den Malteserorden mit internationalen Sanitäts- und Polizeiaufgaben zu betrauen. Schon 1816 hatte Papst Pius VII. das Grosspriorat Rom, das seit 1834 auch Hauptsitz des Ordens ist, wieder hergestellt. In Österreich war es wiederum Metternich, der 1836 dem Orden bei der Wiedereinsetzung in alte, bis 1811 gültig gewesene Vorrechte half.
Mit der Anerkennung des Fürstenstandes für die Ordensgrossmeister und der Verleihung des institutionellen Fürstenstandes an den Grossprior von Böhmen und Österreich durch Kaiser Franz Joseph am 29. Dezember 1880 gewann das Grosspriorat Österreich-Böhmen seine frühere Integrität und kann sich damit einer ungebrochenen Kontinuität erfreuen.
Für den sich reorganisierenden Orden erlangte im 19. Jahrhundert die angestammte Aufgabe der Krankenpflege und sozialen Fürsorge erneut zentrale Bedeutung. Schon in der Ordensregel von 1182 findet sich das Versprechen: «Diener zu sein, unseren Herren Kranken». Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, vor allem aber im 1. und 2. Weltkrieg, stellte der Malteserorden Lazarette, Spitäler, Heime und Transporteinrichtungen zur Verfügung. Der souveräne Malteserorden mit Sitz in Rom unterhält diplomatische Beziehungen und wurde 1980 in seinen karitativen Bemühungen dem Internationalen Roten Kreuz gleichgestellt. Zurzeit zählt der Malteserorden mehr als 12000 Mitglieder, die sich weltweit auf 39 Gross- oder Subpriorate und nationale Assoziationen verteilen.
Einem Schreiben des Auktionshauses Dorotheum, Wien, vom 12. Juli 1969 ist zu entnehmen, dass dieser Degen aus dem Besitz von Leopold, Graf Berchtold von und zu Ungarschitz, Fratting und Pullitz, stammt. Graf Berchtold, geboren am 18. April 1863 in Wien, verbrachte seine Jugend auf dem elterlichen Schloss Buchlau in Mähren und machte in späteren Jahren als Diplomat Karriere. Nach Aufenthalten in Paris und London wurde er 1903 der Botschaft in St. Petersburg zugeteilt und 1906 zum Botschafter ernannt. Vom 17.2.1912 bis zum 13.1.1915 leitete er als kaiserlich-königlicher Minister das Aussenministerium, ein Amt, das Berchtold, wie er einmal feststellte «contrecoeur» - und nur aus Pflichtgefühl übernommen hatte. In seine Zeit als Aussenminister fallen als wichtigste Ereignisse der 1. und 2. Balkankrieg (1912/13) und mit der Kriegserklärung vom 28. Juli 1914 an Serbien der Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
Berchtold demissionierte am 13. Januar 1915, nachdem angesichts der italienischen Ansprüche auf das Trentino Zweifel an seinem Durchsetzungsvermögen laut wurden. Nach dem Rücktritt bemühte sich Berchtold um eine militärische Aufgabe. Der auf kaiserlichen Erlass vom Leutnant der Reserve zum Rittmeister Beförderte wurde dem mährischen Dragonerregiment 11 in Stockerau zugeteilt, in welchem auch sein Sohn Alois Dienst leistete. Berchtolds Kriegseinsatz war von kurzer Dauer. Am 23. März 1916 übernahm er die Stelle eines Obersthofmeisters des Thronfolgers Erzherzog Karl Franz Joseph. Dieser trat als letzter Kaiser des Hauses Habsburg die Nachfolge des am 21.11.1916 verstorbenen Franz Joseph an. Als 2. Obersthofmeister und später als Oberstkämmerer blieb Graf Berchtold bis zur Auflösung des Habsburgerreiches in den Oktoberwochen 1918 im Dienste Karls.
Das Hofamt des Oberstkämmerers war Graf Berchtold auf den Leib geschrieben. Die Aufsicht über die künstlerischen und wissenschaftlichen Institutionen des Kaiserhauses brachte ihn in Kontakt mit den Vertretern der Museen, Galerien, Schatzkammern und Bibliotheken, einen Personenkreis, in dem er sich gerne und mit wirklichem Interesse bewegte. Berchtolds schon seit jeher bestehende Verbindungen zum Kunsthandel wurden intensiviert, bei der Ausstattung der Hofappartements konnte er seinen Sinn für gediegene Raumkunst, der bisher nur seinen eigenen Schlössern gegolten hatte, unter Beweis stellen. Auch der Degen, den Graf Berchtold als Ehrenritter des Malteserordens führte, belegt seine Wertschätzung für qualifiziertes Handwerk.

Zu den wichtigsten, von Kaiser Franz Joseph an Berchtold verliehenen Auszeichnungen zählte 1908 das Grosskreuz des Leopold-Ordens, 1912 der Orden vom goldenen Vlies und 1915 das Grosskreuz des Stephanordens. Nach der Rückkehr aus der Emigration verbrachte Graf Berchtold die letzten Jahre auf seinen Besitzungen in Mähren und starb am 21. November 1942 auf Schloss Perznye, Komitat Oedenburg, Ungarn.
Der für das vorzüglich verarbeitete Gefäss von Berchtolds Malteserdegen verantwortliche Goldschmied ist leider nicht bekannt. In Wien, Budapest oder Prag, aber auch in anderen Städten der Donaumonarchie waren zu Ende des 19. Jahrhunderts Goldschmiede tätig, die sich u.a. auf die Herstellung von Degen- und Säbelgefässen aus Edelmetall verstanden. Entsprechende Belegstücke liegen in öffentlichen und privaten Sammlungen.
Das teilvergoldete Silbergefäss wurde aus mehreren gegossenen, getriebenen, fein ziselierten und gravierten Teilen zusammengesetzt. Der Knaufaufsatz mit einem gefassten, für eine Wappen- oder Initialengravur bestimmten Karneol, ist abschraubbar. Dank diesem Schraubverschluss lässt sich das Gefäss jederzeit ohne besonderen Aufwand demontieren. Den Hals des grossen Knaufes in der Form eines Spangenhelms zieren beidseitig zwei kleine Malteserkreuze. Aus dem Griffbügelansatz, einem stilisierten Delfin mit geöffnetem Rachen, entwickelt sich der reich dekorierte Griffbügel zum Knauf hin. Die Bügelmitte nimmt eine Männerbüste im «altdeutschen» Stil ein. Als Abschluss der Parierstange dienen beidseitig komplizierte Voluten. Über der von einem grossen, fein gelappten Blatt bedeckten Griffbasis steht die kolbenförmige Griffhülse aus Silber, welche ganzflächig von ornamentalen Blattgravuren bedeckt wird. Auf der Rückseite des Griffes befindet sich eine kleine, nachträglich mit Silberblech belegte Kartusche. Das Stichblatt ist zweiteilig und besteht aus zwei ovalen Hälften gleicher Grösse und Verarbeitung, die Innenflächen sind in der Art des Griffes graviert. Im Zentrum der vorderen Stichblatthälfte wurde ein grosses Malteserkreuz aus Silber aufgenietet. Das körperseitige Stichblatt ist abklappbar.
Die Rückenklinge weist beidseitig Hohlschliffe auf und wird bis zur Klingenmitte von einem Ätzdekor mit Rankenwerk und Trophäen bedeckt. Auf der Klingenwurzel findet man einseitig die «Eichhorn-Marke» der Firma Carl Eickhorn in Solingen. Die schwarze Lederscheide ist mit einer vergoldeten Silbergarnitur ausgestattet, die verarbeitungsmässig mit dem Gefäss übereinstimmt. Mundblech und Stiefel zeigen auf der Vorderseite einen reliefierten, ornamentalen und figürlichen Dekor, die Rückseiten sind flach und graviert. Auf dem Tragknopf erscheint wiederum das Malteserkreuz in Silber.
Die im Rahmen des Dekors feststellbare Stilmischung mit Elementen der Renaissance, des Barock und des Rokoko, lässt diesen Prunkdegen als ein Produkt des späten Historismus erscheinen. Die verarbeitungsmässig hohe Qualität von Waffen, vor allem aber die historischen Bezüge vermochten immer wieder das Interesse des Sammlers Carl Beck zu wecken.

Literatur: Slg. Carl Beck, Katalog 1998, S. 51/56, Nr. 10, Farbtafel.