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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 661

Säbel, «Magnatensäbel»,
österreich-ungarisch, 3. Viertel 19. Jahrhundert

Silbergefäss, aus getriebenen und ziselierten Blechen zusammengesetzt, vergoldet. Parierstange mit vierkantigen, gegen die Enden hin dünner werdenden Armen, Knopfabschlüsse, grosse, aus halbrunden Hälften mit geschwungenem Rand bestehende Mittelschilde. Gerundeter Griff in den gewinkelten, kugeligen Knauffortsatz übergehend, sogenannter «Pistolengriff». Gravierter Gefässdekor: ein auf stilisierten Axteisen (Ankeräxten) basierendes Ornament.
Rückenklinge (Länge 81 cm, Breite 2,8 cm), breiter Hohlschliff, Ätzdekor: Ornament, Kriegerbüste – ein bärtiger Mann im Brustharnisch hält in der rechten Hand ein Szepter, mit der Linken den Griff einer seitlich hängenden Waffe, darunter die Inschrift «Gabriel Bathory D. g. [Dei gratia] princeps Transulvan.» (Gabriel Bathory von Gottes Gnaden Fürst von Transsilvanien), Ornament und Trophäe/Ornament, Bathorywappen von einer Schlange kreisförmig umrahmt und einer Krone überhöht, Inschrift «Partium regni Hungar. Dominus et sicul. comes + 1609 +» (Herr über einen Teil des ungarischen Königreichs und seit jeher Fürst, 1609), Ornament, Sterne, Sonne und Mond. Scheide mit dunkelviolettem Samt bespannt, berieben, vergoldete Silbergarnitur, Mundblech mit Tragring, breites Ringband, langer Stiefel. Auf den drei Garniturteilen wurde jeweils ein rechteckiges, durchbrochen gearbeitetes, in den Ecken mit Granatcabochons besetztes Dekorplättchen montiert. Im Zentrum dieser Plättchen befindet sich ein grüner von vier Perlen umrahmter Stein, wohl Glasimitat. Gefäss und Scheide weisen einen en suite gearbeiteten Dekor auf. Auf dem Gefäss und den Garniturteilen die Marke «WM» in einem Rechteck sowie der österreich-ungarische Kontrollstempel für Silber, Feinheit 0.800.

Gesamtlänge: 95,7 cm, Gewicht (ohne Scheide): 725 g, Gewicht (mit Scheide): 1125 g

Kommentar

Provenienz: Auktion Dorotheum, Wien, 21. 3. 1968, Nr. 849.
Bei diesem Magnatensäbel weckte vor allem der Klingendekor unser Interesse. Der altertümliche Ätzdekor im Stile des 17. Jahrhunderts hat mit Gabriel Bathory einen namhaften Vertreter des in Siebenbürgen, «Transsilvanien», beheimateten Adelsgeschlechts zum Gegenstand. Eine Linie der Bathory stammte aus der Stadt Bathor (Grafschaft Zathmar) in Oberungarn, eine andere aus dem unweit davon gelegenen Somlio. Durch kriegerische Tüchtigkeit (ein Bathory fiel in der Schlacht bei Varna 1444 gegen die Türken, ein anderer überlebte die für Ungarn unglückliche Schlacht von Mohacz 1526) und politisches Geschick sicherten sie sich während langer Zeit die Gunst der ungarischen Könige. So schenkte Ferdinand I. (1503 – 1564, König 1527) ein Habsburger, Erbe des Königreiches Ungarn, Stephan Bathory, der als Palatinus und Stellvertreter des Königs das bedeutendste Amt bekleidete, die wichtige Grenzburg Deveny. Diese Anlage war schon im Hochmittelalter zum Schutze des unter dem Namen «Porta Hungarica» bekannten Passes an der Mündung der March in die Donau errichtet worden. Nach dem Aussterben dieses Zweiges der Bathory wurde die 1609 an König Matthias II. heimgefallene Burg zu dem enormen Betrag von 40’000 Gulden an den Grafen Keglevich verkauft.
1527 gelang es Johann Zapolya mit Unterstützung der Türken in einem Aufstand gegen die Habsburger Siebenbürgen der Kontrolle der ungarischen Krone zu entreissen. Seit 1527 versuchten die jeweiligen Fürsten von Siebenbürgen mit wechselndem Erfolg, die auf eine Wiedereroberung erpichten österreichischen Habsburger mit Hilfe der Türken in Schach zu halten, wobei Sultan und Kaiser ihre Protektion oder allfällige Interventionen zugunsten rivalisierender Prätendenten von Tributzahlungen und anderen Gegenleistungen abhängig machten. 1687 wurde Siebenbürgen von habsburg-österreichischen Truppen ¬besetzt und blieb bis 1918 Teil der Donaumonarchie, als letzter Fürst von Siebenbürgen -regierte 1662 – 1690 Michael Apaffi.
Von 1571 – 1613 (mit Ausnahme der Jahre von 1604 – 1608) übten fünf Vertreter aus dem Geschlecht der Bathory die Herrschaft über Siebenbürgen aus. Am bekanntesten sind Stephan Bathory (1522 – 1586), 1571 – 1576, Fürst von Siebenbürgen, 1575 zum König von Polen gewählt, sowie Gabriel Bathory, 1608 – 1613, Fürst von Siebenbürgen. Im Gegensatz zum populären Polenkönig dessen Name und Bild vergleichsweise häufig auf Klingen des 16. und 17. Jahrhunderts erscheinen, sind Klingen deren Dekor auf Gabriel Bathory Bezug nehmen selten und neueren Datums, d. h. es handelt sich um historisierende Arbeiten aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Historie weiss von Gabriel Bathory wenig Rühmliches zu berichten. Er wurde von einem Verwandten unter der Bedingung, sich vom katholischen Glauben loszusagen und die Lehre der Photinianer anzunehmen, an Sohnes statt angenommen. Dadurch gelangte er in den Besitz eines grossen Vermögens. Sein Einfluss verhalf ihm anfänglich zu vielen Parteigängern, so dass er den amtierenden Fürsten von Siebenbürgen, Sigismund Ragoczi, zum Verzicht bewegen und 1608 dessen Nachfolge antreten konnte. Grausam im Umgang mit den Untertanen, führte Gabriel Bathory ein «wunderliches, unzüchtiges Leben» und war bald einmal allgemein verhasst. Er war nicht der einzige Bathory, bei dem sich Spuren der Dekadenz und des Wahnsinns feststellen lassen, berüchtigt war auch eine Verwandte, Elisabeth Bathory (1560 – 1614), die «Blutgräfin», Gattin des Ferencz Nadasdy.
Nachdem Bathory Vasallen Österreich-Habsburgs bedrängt oder zum Aufruhr angestiftet sowie einige kaiserliche Plätze erobert hatte, veranlasste König Matthias II. den Woiwoden der Walachei, gegen Bathory vorzugehen, der den Angriff jedoch abzuwehren verstand. 1611 misslang ein weiterer Versuch des Königs, Bathory mit eigenen Truppen in die Schranken zu weisen. Zwei von Bathorys wichtigsten Gefolgsleuten, sein Gesandter in Konstantinopel und Bethlen Gabor, empörten sich 1612/13 und suchten Hilfe bei den Türken. Sultan Ahmed I., der im Widerspruch zu Habsburg-Österreich Siebenbürgen als ein türkisches Lehen behandelte, unterstützte Gabriel Bethlen Gabor und versuchte, diesem mit Waffengewalt zum Fürstentum zu verhelfen. Bathory sah sich gezwungen, König Matthias II. um Hilfe anzugehen. Weil er die Bedingung des Königs, ihm die Burg von Waradein abzutreten, nicht akzeptieren wollte, nahm Bathory mit den Türken Kontakt auf. Der Versuch, den Sultan und seine Minister zu bestechen, misslang. Sobald der nach Siebenbürgen entsandte Vertreter des Königs, Nikolaus Apaffi, davon erfuhr, leitete dieser heimlich die Ermordung Bathorys in die Wege. Es gelang ihm, Bathory aus der Burg von Waradein zu locken, er wurde am 17. oder 27. Oktober 1613 von dazu bestellten Soldaten erschossen, «…womit sich sein Geschlecht endigte».
Der Klingendekor, Porträtbüste (?), Wappen und Inschriften, erinnern somit an den letzten Vertreter eines einflussreichen, 1613 erloschenen siebenbürgischen Adelsgeschlechts.
Die Jahrzahl «1609» ist in zweifacher Hinsicht von Bedeutung, ein weiterer Zweig der Bathory ist in diesem Jahr ausgestorben, gleichzeitig wechselte die eindrücklichste Burganlage der Bathory, Deveny, den Besitzer. In rumänischen Sammlungen befinden sich drei weitere Magnatensäbel aus der 2. Hälfte 19. Jahrhundert mit gleichem Klingendekor.
Bei einem 1990 verkauften vollständigen Magnatenensemble sind Säbel und Schmuck ebenfalls mit der Meistermarke «WM» und dem von 1866 – 1922 verwendeten Kontrollstempel gezeichnet. Gemäss Schedelmann (1963) könnte es sich dabei um einen Goldschmied aus Budapest handeln.
Literatur: Stanislas Meyer, Klingen mit dem Namen und Bildnis des Königs Stephan Bathory von Polen, ZHWK Bd. 15, 1937/39, S. 54/57. Johann Szendrei, Ungarische Kriegsgeschichtliche Denkmäler, Budapest 1896, S. 795/796. Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal Lexikon, Halle/Leipzig 1733, 3. Bd., S. 682/684, 37. Bd., S. 990/996. Wesensverwandlungen, Geheimnisse des Unbekannten, Amsterdam 1990, S. 123/126. Tardy, Poinçons d’argent, Paris, S. 75. Cristian Vl˘adescu, Carol König, Dan Popa, Arme în Muzeele din România, Bukarest 1973, Abb. 10/12. Galerie Fischer, Luzern, 28./30. 6. 1990, Nr. 8312.