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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 373

Säbel, «Shamshir»,
persisch-irakisch, 1. Viertel 19. Jahrhundert

Silbergefäss, aus getriebenen und ziselierten Teilen zusammengesetzt. Vierkantige Parierstange, im Bereich der Griffbasis zum Mittelschild verbreitert, kurze ortwärts gebogene Arme, ein Arm etwas defekt, Fehlstelle. Abschlüsse in Form stilisierter Drachenköpfe. Gegen das Ende hin gewinkelter Griff von ovalem Querschnitt, Knauffortsatz mit einer Kappe aus Silberblech, in deren Mitte sich ein gefasster, beschrifteter Türkis befindet. Die Vorderseite des Gefässes ist mit mehr als hundert Türkisen besetzt, Rückseite glatt. Im Zentrum der Parierstange eine aus Türkisen gebildete Rosette, ein Stein weist eine gravierte arabische Inschrift auf: «Dass ich für dich geopfert werde [empfiehl meine Seele dem Propheten]».
Volle Damastrückenklinge (Länge 81,1 cm, Breite 3 cm), auf der Vorderseite im Bereich des Ansatzviertels ein geschnittener ornamentaler, symmetrisch gestalteter Blumen- und Blätterdekor, ebenfalls nur auf der Klingenvorderseite dem Rücken entlang bis zum Ort eine Folge von ca. 18 kleiner werdenden geschnittenen Dekordreiecken. Schnittdekor vergoldet. Mit grün getönter Fischhaut (franz. «le galuchat») bespannte Scheide, Silbergarnitur, Mundblech, zwei spitzovale Ringbänder, ein zusätzliches Dekorband, langer Stiefel. Die Vorderseite der Garnitur schmücken ca. 500 Türkise von unterschiedlicher Grösse, gruppiert in Rosetten und Blumen. Die zentralen Steine von drei Dekorelementen weisen gravierte arabische
Inschriften auf: 1. «Kommt!». 2. «Kommt!». 3. «Dass ich für Dich getötet werde».

Gesamtlänge: 94,6 cm, Gewicht (ohne Scheide): 960 g, Gewicht (mit Scheide): 1530 g
Provenienz: Auktion Dorotheum, Wien, 28./31. 5. 1963, Nr. 817.

Kommentar

Der in Persien als «Shamshir», gleichbedeutend mit Löwenschweif, bezeichnete Säbel ist mit einer stark gebogenen, relativ schmalen, vollen Rückenklinge ausgestattet. Die Shamshir-Klinge ist für den schneidenden Hieb konzipiert und zum Stoss ungeeignet. Das Gefäss der vorliegenden Waffe vereinigt entwicklungsgeschichtlich Elemente unterschiedlichen Alters. Die in stilisierten Drachenköpfen endende Parierstange mit einem verbreiterten Mittelstück lässt sich bereits auf persischen Griffwaffen des 15. Jahrhunderts und noch älteren islamischen Griffwaffen nachweisen. Der für persische Griffwaffen typische Griff mit einem kappenbedeckten, abgewinkelten Ende scheint im Verlauf des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts entstanden zu sein. Die altertümliche Parierstangenform fand im 19. Jahrhundert wenn auch nicht häufig in Persien, Indien oder Turkestan (Buchara) weiterhin Verwendung. Parierstangen mit stilisierten Tierkopfenden wurden in dieser Zeit zuweilen mit dem im osmanischen Hoheitsbereich verbreiteten «Pistolengriff» kombiniert.
In vergleichbarer Art überaus reich mit Edelsteinen besetzte Gefässe und Scheidengarniturteile entstanden in Persien vor allem während der Regierungszeit des Qadscharen Schahs Fath Ali (reg.1791 – 1834). Auffallend ist die ausschliessliche Verwendung von Türkisen. Der Türkis diente im Nahen Osten von alters her zur Abwehr des bösen Blicks. Muslims, ebenso orthodoxe Christen glaubten an seine apotropäische Wirkung. Im Irak war der Türkis besonders populär. Dazu mochte ein weiterer Umstand beigetragen haben. Der Türkis gilt zudem hauptsächlich in Persien als «firuz», «Sieg oder Erfolg bringend». Diese dem Türkis zugeschriebenen Eigenschaften erklären seine Beliebtheit als Schmuckstein für Waffen. Selbst bei hochwertigen Prunkwaffen gab man oftmals den Türkisen den Vorzug und beschränkte die Verwendung teurer Edelsteine, wie Rubine oder Smaragde. Eindrückliche Beispiele für mit Türkisen und Rubinen verzierte Prunkwaffen sind ein Helm und ein Streitkolben aus dem Besitz Sultan Suleimans des Prächtigen (reg.1520 – 1566), die vermutlich in seinem Auftrag in den Hofwerkstätten angefertigt worden sind.
Die in fünf grössere Türkise des mehrere hundert Steine zählenden Säbeldekors gravierten kämpferischen Aufrufe berechtigen zur Annahme, dass die Waffe für einen im Irak ansässigen Schiiten bestimmt war. Mit Kerbala befindet sich der Hauptwallfahrtsort der Schiiten im Zweistromland. Im Gegensatz zu den Sunniten anerkennen die Schiiten nur die vier ersten Nachfolger Mohammeds als rechtmässige Kalifen und berufen sich vor allem auf den vierten Kalifen Ali, einen Vetter Mohammeds, der mit Fatima, einer Tochter des Propheten, verheiratet war und 661 ermordet wurde. Alis Sohn Hassan fiel 680 im Kampf bei Kerbala. Die Schiiten begehen dieses Ereignis alljährlich mit einem Trauerfest am 10. Tag des Monats Muharram, bei welchem die Gläubigen weinend und sich schlagend umhergehen und Passionsspiele aufführen.
Literatur: Esin Atil, The Age of Sultan Süleyman the Magnificent, New York 1987, S. 147/151, Abb. 84/85. Lord Egerton of Tatton, Indian and Oriental Armour, London 1896, Reprint 1968, S. 51/54, Tafel III, Nr. 1. Weapons of the Islamic World op. cit., S. 41, Nr. 5, S. 46, Nr. 11, S. 51, Nr. 17, S. 78, Nr. 64. Elgood, Arms of Arabia op.cit., S. 28. Jacob, Armes blanches op. cit., S. 156/164. David C. Nicolle, Arms and Armour of the Crusading Era 1050 – 1350, New York 1988, 2 Bde., S. 165, Abb. 418 A. Anthony North, Islamic Arms, London 1985, S. 32/33, Abb. 27. Seifert, Schwert, Degen, Säbel op. cit., S. 60/61. Jean Perfettini, Le galuchat, un matériau mystérieux, une technique oubliée, Edition H.Vial 2005, S.12-23.