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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 657

Rapier, Schalenrapier,
italienisch, Mitte/3. Viertel 17. Jahrhundert

Eisengefäss, gequetschter, kugeliger Knauf mit Halsansatz, wohl alt ergänzt, offener Griffbügel mit einem Seitenbügel, der in die vordere Stichblatthälfte mündet, lange Parierstange, grosse Griffringe. Griffbügel und Parierstange aus Rundeisen, beide weisen linsenförmige Abschlüsse auf. Die glockenartige, symmetrisch angelegte Stichblattkonstruktion setzt sich aus einer vorderen und einer hinteren Stichblatthälfte zusammen. Die beiden gewölbten, hochgezogenen Stichblatthälften sind durchbrochen gearbeitet und zeigen als Dekor ein feines, teilweise von Vögeln besetztes Ranken- und Blattwerk, das am oberen Stichblattrand von einer Bordüre begrenzt wird. Die verschraubte Stichblattinnenscheibe, «guardapolvo», ist ebenfalls durchbrochen gearbeitet. Die Stichblatthälften verbinden zwei Spangengruppen. Griff mit Kupferdrahtwicklung, dekorierte Zwingen, neuere Ergänzungen.
Zweischneidige, schmale Klinge (Länge 101 cm, Breite 1,6 cm), auf den Fehlschärfen Halbmondmarken, im Ansatzbereich Mittelhohlschliffe, beschriftet «FRANCISCO».

Gesamtlänge: 119 cm, Gewicht: 750 g
Provenienz: Aus Privatbesitz, Liestal 1968, vormals u. a. Sammlung Baron Rothschild.

Kommentar

Das Fechten mit Schalenrapieren sowie speziellen Parierdolchen, «Linkhanddolchen», basierend auf der sogenannten spanischen Schule, war vom ersten Viertel des 17. Jahrhunderts bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts verbreitet und erreichte seinen Höhepunkt um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Im Fechtbuch «Nobleza de la espada…» des Spaniers Francisco Lorenz de Rada, erschienen 1705, wird nach wie vor der Gebrauch von Rapier und Linkhanddolch propagiert. Das Schalenrapier, eine speziell zum Stoss geeignete Fechtwaffe, entwickelte sich im Verlauf der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Spanien und im politisch sowie kulturell unter spanischem Einfluss stehenden südlichen Teil Italiens. Die Anfänge dieser eleganten Waffe liegen vermutlich bei deutschen Griffwaffen mit Bügelgefässen und grossen Stichblättern des frühen 17. Jahrhunderts. Als spezifisch spanischer Beitrag zum Entstehen des Schalenrapiers gelten die lange und schmale Parierstange sowie die tiefe Schale. Das klassische Schalenrapier, auch als «Glockendegen» bekannt, mit einer halbkugeligen, geschlossenen Stichblattschale wird in Spanien als «espada de taza» in Italien «espada a tazza» bezeichnet. Beim vorliegenden Rapier entsteht ein schalenartiger Handschutz durch die beiden grossen, hochgezogenen Stichblätter, welche mittels Spangen miteinander verbunden sind. Die bei Schalenrapieren und Linkhanddolchen zuweilen aufgebogenen Stichblattränder dienen als Klingenfänger, «rompe-puntas».
Der Linkhanddolch war eine notwendige Ergänzung, um beim Fechten mit langen Klingen gemäss italienischer oder spanischer Schule einen Angriff aus kurzer Distanz parieren zu können. Die Klingenbasis der Linkhanddolche, die im Verein mit Schalenrapieren Verwendung fanden, wurden daher oftmals verstärkt, dass heisst verbreitert, und dienten dank tiefen seitlichen Einschnitten ebenfalls als Klingenfänger. Rapier und Dolch bilden häufig eine von gleicher Meisterhand hergestellte Garnitur. Obschon das Schalenrapier und der Linkhanddolch (vgl. Kat. Nr. 29) aus der Slg.Carl Beck nicht Teile einer zusammengehörenden Garnitur sind, dürften sie in den gleichen Jahren entstanden und verwendet worden sein.
Literatur: Norman, Rapier & Small-Sword op. cit., S. 156/157, Hilt 83. Seitz, Blankwaffen II op. cit., S. 127/146, S. 137, Abb. 151, 367/372. Eric Valentine, Rapiers, London 1968, Nr. 36. Jose ¬Maria Pelaez Valle, La espada ropera española en los siglos XVI y XVII, Gladius 1983, Tomo XVI, S. 147/199.