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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 397

Degen,
westliches Mitteleuropa, um 1660

Eisengefäss, aus gegossenen, geschnittenen und ziselierten Teilen zusammengesetzt. Gequetschter, kugeliger Knauf mit Halsansatz, eine Reiterkampfszene als Dekor. Der dünne Griffbügel aus Rundeisen, im Mittelteil mit einer hermenartigen, nackten Halbfigur, mündet in die Griffbasis. Der Parierstangenarm endet in einer nackten Halbfigur. Auf der länglichen, vierkantigen Griffbasis erscheint beidseitig eine Reiterdarstellung, grosse Griffringe. Stichblatt mit nierenförmigen Hälften, Dekor: Aussenseite – stark reliefierte, vielfigurige Reiterkampfszene, Innenseite – vergleichsweise plan, einfacher gestaltete Reiterkampfszene. Griff spiralig gerillt, Eisendrahtwicklung und Türkenbünde ergänzt.
Zweischneidige Klinge (Länge 77 cm, Breite 2 cm), linsenförmiger Querschnitt, Ätzdekor stark berieben: Zahl «1413», Ornamente.

Gesamtlänge: 93,2 cm, Gewicht: 545 g
Provenienz: Galerie Fischer, Luzern, 28. 11. 1960, Nr. 45.

Kommentar

Neben den leichten Promenier- oder Kavaliersdegen mit barocken Kreuzgefässen, die im 2. Viertel des 17. Jahrhunderts als Alternative zu den übrigen, eher schweren Griffwaffen mit sperrigen Gefässen in Mode kamen, gewann auch der leichte Degen mit «verknapptem Bügelgefäss» an Bedeutung. Beide Waffen konnten entsprechend der französischen Fechtschule, die sich in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts zu etablieren vermochte, verwendet werden.
Die ersten eisernen Bügelgefässe mit Reitern oder Reiterkampfszenen lassen sich in die Jahre um 1650 datieren. Nur in seltenen Fällen weisen sie einen künstlerisch hochwertigen Schnittdekor auf. Die stattliche Anzahl noch erhaltener Degen mit «verknappten Bügelgefässen» aus Eisen, effektvoll konzipiertem, stark reliefiertem, im Detail aber wenig überarbeitetem Reiterdekor, gibt zur Vermutung Anlass, dass derartige oder ähnliche Waffen an mehreren Orten hergestellt wurden. Auch die bisher auf derartigen Gefässen festgestellten Klingen, oftmals aus Solingen, tragen nicht zur Lokalisierung der Produktionsorte bei. Als mögliche Produktionsgebiete nennt Puype, der sich mit dieser Materie eingehend beschäftigte, die südöstlichen Niederlande, Nordostfrankreich, das untere Rheingebiet, auch die Region von Liège ist in Betracht zu ziehen. Ausser dem am häufigsten anzutreffenden Reitermotiv werden auf diesen Gefässen in gleicher Art und Weise biblische und klassische Figuren oder Szenen abgebildet. Die vorliegende Waffe wurde nachträglich mit einer deutschen Klinge ausgestattet, die ungeachtet der Angabe «1413» ein Produkt des 18. Jahrhunderts ist. Im Gegensatz zur Zahl «1414», die oftmals mit Nachahmungen der Passauer-Wolfsmarke auf Solingerklingen erscheint, welcher ein gewisser Symbolgehalt zukommt und die als Glücksbringer gilt, lässt sich dies von «1413» nicht sagen.
Literatur: Claude Blair, Arms, Armour and Base-Metalwork, The James A. de Rothschild Collection, Fribourg 1974, S. 125/126, Nr. 40. Boccia, Museo Stibbert op. cit., S. 129, Nrn. 363, 364, Abb. 310 a, b. Egerton Castle, L’Escrime et les Escrimeurs, traduit par Albert Fierlants (engl. Originalausgabe 1885), Paris 1888, S. 155/178, 257. Lhoste/Buigne, Armes blanches op. cit., S. 107/109. Norman, Rapier & Small Sword op. cit., S. 199 ff, hilt 112, S. 278, pommel 85. Puype, Visser Collection op. cit., Vol. I, Part 3, S. 166/189, speziell S. 174. Seitz, Blankwaffen II op. cit., S. 43/55, 77/107.