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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 365

Degen, «Galadegen»,
deutsch, 3. Viertel 18. Jahrhundert

Silbergefäss, aus gegossenen und ziselierten Teilen zusammengesetzt. Kugeliger Knauf, Halsansatz, Vernietknauf. Der Griffbügel mündet in die Griffbasis. Parierstangenarme mit etwas verdickten, kölbchenförmigen, ort- und knaufwärts gerichteten Enden, zwei Ziergriffringe. Der Knauf, das Mittelstück des Griffbügels, ebenso die Griffbasis und die Griffhülse weisen einen Rillen- und Bänderdekor, teilweise «en torsade», auf. Herzförmiges, fassoniertes Stichblatt, das sich gegen den Griffbügel hin teilt und in Lappenfortsätze übergeht. Marke auf der Oberseite des Stichblatts: «BU» von Krone überhöht, in Rechteck.
Zweischneidige Klinge (Länge 84,5 cm, Breite 3 cm), sechskantig, sogenannte «Colichemardeklinge», welche sich nach dem breiteren Ansatzdrittel verengt und schmaler wird. Vergoldeter, ornamentaler Ätzdekor.

Gesamtlänge: 101 cm, Gewicht: 490 g
Provenienz: Antiquarin Pia Wettstein, Zürich 1958.

Kommentar

Die Klingenbezeichnung «Colichemarde» wird von den Fecht- und Waffenhistorikern Egerton Castle (1885/1887), Aylward (1945/1960), Seitz (1968) und Bosson (1971) mit den aus Brandenburg stammenden Grafen von Koenigsmark (auch «Königsmarck») in Verbindung gebracht. Im 17. Jahrhundert zeichneten sich mehrere Vertreter dieser Familie vor allem in schwedischen, aber auch französischen, englischen und venezianischen Diensten als Offiziere und Heerführer aus.
Der Ansatz oder die «Stärke» der Colichemardeklingen ist breiter als die restliche Klinge und geht ziemlich abrupt über zwei Schultern in den längeren, spitzen Klingenteil über. Sie erlaubt dank einer relativ breiten, robusten «Stärke» sowohl erfolgreiche Paraden, als auch im Angriff mit dem dünneren Teil den gezielten Stoss. Weil diese in der Zeit von ca. 1670 – 1690 entstandene Klingenform sich anfänglich in Frankreich, im 18. Jahrhundert in ganz Europa, besonderer Beliebtheit erfreute, wurde sie in Anlehnung an den Namen «Koenigsmark», sprachlich etwas verzerrt, als «Colichemarde» bezeichnet.
Als mutmasslicher Erfinder oder Propagator dieser Klinge nennen Castle, Seitz und Bosson den Grafen Otto Wilhelm von Koenigsmark (1639 – 1688), der 1661 im Alter von 22 Jahren wohl dank Protektion und einer ausserordentlich guten Schulbildung als schwedischer Botschafter nach London geschickt wurde. Dort machte er durch seinen unerhört luxuriösen Lebensstil von sich reden. 1665 ging Koenigsmark als Botschafter nach Frankreich, trat anschliessend in französische Dienste und avancierte, belobigt von Ludwig XIV. und Marschall Condé, zum Maréchal de Camp. Wiederum unter schwedischer Fahne besiegte er die Brandenburger bei Rugen und verteidigte während drei Jahren Stralsund. Nach dem Frieden von Nymwegen (1676) und seiner Beförderung zum Feldmarschall verwaltete er als Gouverneur in schwedischem Auftrag Pommern, Rugen und Wismar. 1685 übernahm er mit Erlaubnis des schwedischen Königs das Kommando der venezianischen Truppen im Kriege gegen die Türken und starb 1688 anlässlich der Belagerung von Negroponte an einem Fieber. Obschon Aylward Castle zitiert, bezeichnet er Otto Wilhelm von Koenigsmark fälschlicherweise als «John Phillip von Königsmark» und vermischt dessen Biographie mit derjenigen von Karl Johann von Koenigsmark (1659 – 1686), einem Neffen Otto Wilhelms, der 1682 in London in einen spektakulären Mordfall verwickelt war. Immerhin verdanken wir Aylward den Hinweis, dass William Hope in seinem Werk «Scots Fencing Master, or Compleat small-swordman, in which is fully Described the whole Guards, Parades, ans Lessons belonging to the Small-Sword…», Edinburgh 1687, ein Koenigsmark-Rapier, «the rapier Konigsmark», erwähnt, anscheinend ohne weitere Angaben. Demnach wurde noch zu Lebzeiten von Otto Wilhelm von Koenigsmark (gest. 1688) eine spezielle Griffwaffe mit den Koenigsmark in Verbindung gebracht. Ob das «Koenigsmark-Rapier» bereits mit einer Klinge ausgestattet war, welche der im 18. Jahrhundert in allen Teilen
Europas anzutreffenden «Colichemardeklinge» entsprach, entzieht sich unserer Kenntnis.
Literatur: Aylward, Small-sword op. cit., S.51/54, 86, Abb. 3 G. Clément Bosson, Les Epées, épée dite «Colichemarde», Bulletin, Schweiz. Gesellschaft für historische Waffen- und Rüstungskunde, 1971, Nr. 1, S. 7/8. C. Dezobry, T. Bachelet, Dictionnaire Général de Biographie et d’Histoire, Paris 1873, Bd. 2, S. 1494. Egerton Castle, L’Escrime et les Escrimeurs, traduit par Albert Fierlants, Paris 1888 (Originalausgabe 1885), S. 271/272, Tafel V. Norman, Rapier & Small Sword op. cit., S. 199, hilt 112. Seitz, Blankwaffen II op. cit., S. 31/32, 318, 321.