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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 437

Hirschfänger,
schweizerisch, 3. Viertel 18. Jahrhundert, Artillerie, Zürich

Messinggefäss, aus gegossenen und geschmiedeten Teilen zusammengesetzt, Knaufkappe, griffwärts mit Lappenfortsatz, Vernietknauf, Griffbügel in Parierstange mündend, muschelförmiges Stichblatt stark ortwärts gebogen. Griff mit Fischhaut bespannt, Zwinge, griffwärts mit Lappenfortsatz. Die beiden Lappenfortsätze von Knauf und Zwinge decken teilweise die Griffmittelschiene.
Gerade, zweischneidige Klinge (Länge 57,8 cm, Breite 3,7 cm), linsenförmiger Querschnitt, im Ort gerundet. Ätzdekor vergoldet, berieben: Springender Hirsch in einer
ovalen Kartusche, dazu der Spruch «Ma Douleur cause ma fuit[e]», es folgen in weiteren Kartuschen Frauen- und Männerbüsten sowie rahmende Ornamente.

Gesamtlänge: 71,4 cm, Gewicht: 750 g
Provenienz: Aus Privatbesitz, Stein am Rhein (Kt. Schaffhausen) 1951.

Kommentar

Ein Beschluss des bernischen Kriegsrats vom 12. Mai 1749 regelte erstmals die Uniformierung und Bewaffnung der «Compagnie d’Artillerie du Pays de Vaud». Als Bewaffnung diente den Artilleristen ein Luntenstock, «Boutte feu», möglicherweise in Form eines Spontons (vgl. Kat. Nr. 89) sowie ein Hirschfänger, «…un echevin soit couteau de chasse…» In den deutschbernischen Kantonsteilen wurde der Hirschfänger für Artilleristen erst 1769 eingeführt. Von den amtlichen Stellen (Zeugamt, Zeughaus) erfuhr der Artillerie-Hirschfänger keine besondere Förderung. Auch die direkt betroffenen Milizangehörigen, welche die Waffe auf eigene Kosten zu erwerben hatten, kamen den obrigkeitlichen Wünschen kaum nach. Die wenigen noch erhaltenen Artillerie-Hirschfänger Ord. 1749/69 stammen aus dem Besitz von Angehörigen der welschen Kompanie. Sie verfügen über breite, volle Rückenklingen (Länge ca. 40 – 50 cm, Breite ca. 50 mm), die man aus dem Jura (Vallorbe) oder aus Frankreich (Klingenthal) bezog. Das mit dreifach vernieteten Hornschalen belegte Messinggefäss hat eine horizontale S-förmig geschweifte, vierkantige Parierstange (vgl. Schneider/Meier, Griffwaffen op. cit., S. 123, Typ B).
Auch Zürich beschloss, möglicherweise dem bernischen Beispiel folgend, seinen Artilleristen den Hirschfänger zu empfehlen. So lieferte der Obmann der Zürcher Degenschmiede, Johann Kaspar Wehrli (1702 – 1775), dem Zeugamt 1749 «neue Hirschfänger», welche den ansässigen Degenschmieden und den Artilleristen als Muster dienen sollten. Vor allem Wehrli und der von 1748 – 1780 ebenfalls als Zeughauslieferant aktive Degenschmied Christoph Locher kommen als Hersteller von Artillerie-Hirschfängern in Frage. Von Locher ist ein signiertes Exemplar bekannt, das mit einer breiten, im Ort gerundeten Klinge ausgestattet ist. Für jagdliche Zwecke waren derartige Hirschfänger ungeeignet. Trotz obrigkeitlichem Muster variieren die in der Zeit von 1749 bis 1770/78 hergestellten zürcherischen Artillerie-Hirschfänger beträchtlich, weisen aber dennoch in Bezug auf Gefäss und Klinge gewisse Gemeinsamkeiten auf. Als offizielle Bewaffnung für Artilleristen wurde der Hirschfänger erst in die gedruckte Militär-Ordonnanz für die Landmiliz des Kantons Zürich von 1770/78 aufgenommen: «Corporals, Gefreyte und Gemeine sollen Hirschfänger von schwarz-hörnenem Griff mit Messing, die Klinge zweyschneidend, … haben».
Quellen u. Literatur: Staatsarchiv Zürich. – F III 42, Zürcher Zeugamtsrechnungen, 1544 – 1798, Auszüge als Manuskript im Schweiz. Landesmuseum, Zürich. Staatsarchiv Bern – Armatur & Montur Nr. 179, D 87, KRM 12. Mai 1749. Bieri/Meier, Schweizer Griffwaffen op. cit., S. 83 mit Abb. Schneider, Schweizer Waffenschmiede op. cit., S. 175/176, 282. Schneider /Meier, Griffwaffen op. cit., S. 123, Typ B, falsch datiert und zugeordnet. «Militar-Ordonanz für die Landmiliz des Canton Zürich» von 1770, S. 100. Schweiz. Landesmuseum 1985, 94. Jahresbericht, S. 13, Abb. 9/10, S. 36/37.