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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 153

Degen, kantonal, fakultative eidgenössische Ordonnanz 1817, Herstellung um 1830, Offizier, Infanterie, Artillerie, Bern, Zürich und weitere Kantone.

Messinggefäss vergoldet, Helmknauf, konischer, zwingenartiger Ansatz, Griffbügel in Parierstange mit kurzen, vierkantigen Armen mündend, herzförmig-längliches, gegen den Griffbügel hin geteiltes Stichblatt mit Lappenfortsätzen, zwischen Griffbasis und Stichblatt eine als Blattrosette geformte Unterlagsscheibe. Vierkantiger Ebenholzgriff, Vorder- und Rückseite mit geschnittenem Fischhautmuster, Seitenflächen glatt, Zwinge.
Rückenklinge (Länge 78,8 cm, Breite 2,4 cm), volle Wurzel, breiter Hohlschliff, Ansatzdrittel gebläut, vergoldeter Ätzdekor: Trophäen, Blütenzweige, Blütenkranz, Ornamente.

Gesamtlänge: 95,2 cm Gewicht: 630 g
Provenienz: Aus Privatbesitz, Sursee (Kt.Luzern) 1953.

Kommentar

Der Degen entspricht einem Modell, das am 16. Juli 1818 in Bern der eidgenössischen Militäraufsichtsbehörde vorlag, welche im Begriff war, die für das Bundesheer gemäss eidgenössischem Reglment von 1817 verbindlichen Musterwaffen festzulegen. Man bemängelte den «Degenknopf» (= Knauf), der durch den «Helm mit Federbusch allzu sehr geschmückt und scharf» sei, wodurch die Uniform in Mitleidenschaft gezogen werde. Am 18.Juli entschied die eidgenössische Militäraufsichtsbehörde, dass der im Auftrag der Artilleriekommission und des Berner Zeughauses von Degenschmied Nikolaus Rudolf Schönauer (1775-1848) hergestellte Degen mit Helmknauf als «fakultatives» Modell zu genehmigen und damit für die Kantone nicht als verbindlich zu erklären sei. Es war denn auch vor allem Bern, das seit 1818 den neuen fakultativen Offiziersdegen mit Helmknauf propagierte; andere Kantone z.B. Zürich, Solothurn, Aargau, Thurgau, St.Gallen usw. folgten dem bernischen Beispiel. Der Entwurf eines «Reglementes für die Bewaffnung der bernerischen Miliz» von 1830 von Aide-major Gouzy, das wegen des liberalen Umsturzes von 1830 nicht mehr gedruckt werden konnte, enthält die detaillierte Beschreibung eines ordonnanzmässigen Artillerie-Offiziersdegens, der auch von den übrigen unberittenen Berner Offizieren verwendet wurde:

«Ein Degen mit Griff von schwarzem Holz nebst Bogen und Stichblatt von vergoldetem Messing; der Griff ist zwischen dem Bogen 4 Zoll lang, die Weite zwischen demselben und dem Bogen beträgt 1½ Zoll, das Stichblatt bildet eine 8 Linien tiefe Schaale und ist in seiner grössten Breite 2 ¼ Zoll breit. Die Klinge ist gerade, an jeder Seite ein wenig ausgehöhlt, 2 Schuh 7 Zoll [83,9 cm] lang, oben 10 Linien breit und daselbst am Rücken 3 Linien dick. Die Scheide ist von schwarzem Leder, ihre Garnitur ist von vergoldetem Messing und besteht in einem 3 Zoll 5 Linien langen, mit einer Schleifschiene versehenen Ortband und einem Mundstücke, das auf der innern Seite 1 Zoll, auf der äussern aber 2 Zoll lang und daselbst mit einem Knopfe versehen ist.»

Es sind auch Degen mit Stahlscheiden und vergoldeten Messinggarnituren bekannt, die von Artillerie- oder Infanterie-Offizieren zu Pferd benützt wurden. Mit einer Vielzahl von Varianten zählte dieses Degenmodell vor den Griffwaffen nach eidgenössischer Ordonnanz 1852 bei den Offizieren der kantonalen Milizen zu den beliebtesten und am meisten verbreiteten Griffwaffen.

Literatur: V.Norman, Rapier & Small Sword op.cit., S.212-217, Hilt 113. Schneider/Meier, Griffwaffen op.cit., S.28. Lhoste/Buigne, Armes blanches, symbolisme, «Le Casque», S.75-77. Jürg A.Meier, Der Stock des Carbonaro und ein Berner Degen, in: Zeitschrift für historische Waffen- und Kleidungsgeschichte, Heft 2, 2013, S.195-201.