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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 15

Reitschwert, Reiterdegen,
deutsch, im sächsischen Stil um 1600, Arbeit von Anton Konrad um 1930, Dresden

Eisengefäss mit Silberblech plattiert, achtkantiger, konischer Knauf, Nietdrittel halbkugelig, Vernietknauf. Gerundete Parierstange mit kugeligen Enden und kleinen Zierknäufchen. Die Fassung der beiden Stichblätter aus Silberblech münden in die Parierstange. Das Griffbügelpaar, welches im Eselshuf endet sowie drei rückwärtige Spangen wurden aus geschwärzten Rundeisen gefertigt. Alle Silberteile weisen feine Blatt- und Rankengravuren, dazu Vögel und Puttenköpfe auf. Griff mit Silberdrahtwicklung, vier dünne Längsschienen werden teilweise von zwei Zwingen aus Silber mit gezackten Rändern bedeckt.
Zweischneidige Klinge (Länge 83,5 cm, Breite 2,6 cm), Fehlschärfe silberplattiert, gravierter Dekor mit Eule, Klingenwurzel sechskantig, Markenbereich linsenförmig, dann rhombisch, Mittelhohlschliff, geätzte Signatur und Devise: «ME FECIT SOLINGE/SOLI DEO GLORIA». Geätzte Marke: im Zentrum eines hochovalen, länglichen Rahmens Darstellung einer grossen Beisszange mit rundem Kopf, Rand beschriftet «IOHANNES WIRSBERGER». Schwarze Lederscheide, Silbergarnitur, Mundblech mit vier Tragringen, Stiefel. Der gravierte Scheidendekor stimmt mit dem Gefässdekor stilistisch überein, auf der Vorderseite des Mundblechs eine grosse Vogeldarstellung.

Gesamtlänge: 107,5 cm, Gewicht (ohne Scheide): 1760 g, Gewicht (mit Scheide): 2115 g
Provenienz: Auktion Galerie Fischer, «Gräflich Erbach’sche Waffensammlung, Waffensammlung aus bayerischem Adelsbesitz», 6./9. 9. 1932, Nr. 1 mit Abb. Slg. W. R. Hearst, USA. Auktion Galerie Fischer, Luzern, 26. 6. 1957, Nr. 22.

Kommentar

Das «sächsische Reitschwert» wurde mit anderen Waffen von der Firma E. Kahlert & Sohn, kaiserliche und grossherzogliche Hofantiquare, Berlin, 1932 der Galerie Fischer zur Auktion eingeliefert. Theodor Fischer betraute Dr. E. A. Gessler, Konservator am Schweizerischen Landesmuseum, einen versierter Waffenhistoriker, mit der Katalogisierung des vor allem aus der Sammlung der Grafen Erbach stammenden Auktionsgutes.
Der als erste Nummer des Kataloges angebotene und abgebildete «Prunkstossdegen des Hofgesindes des Kurfürsten Christian II. von Sachsen, 1591 – 1611 regierend», aus dem Besitz von Kahlert, wurde für Fr. 4100.– dem Vertreter des amerikanischen Zeitungsmagnaten und Sammlers, William Randolph Hearst, zugeschlagen. Am 26. Juni 1957 ging dieselbe Waffe mit einer Schätzung von Fr. 1000.– für Fr. 480.– zuzüglich einer Kommission von 15 % in den Besitz von Carl Beck über. Mit guten Gründen unterliess der damals für den Katalog verantwortliche Experte, Hans Schedelmann, eine Datierung und genauere Beschreibung der Waffe.
Schedelmann erhielt nach dem Tode von Wilhelm Kahlert am 25. Dezember 1939, einem Bruder des bereits 1935 verstorbenen Firmenmitinhabers Ernst Kahlert, den Auftrag, die verbliebenen Waffenbestände in einer Auktion am 13. Juni 1940 in Berlin zu liquidieren.
Dabei stiess er auf eine höchst brisante, mehr als 300 Briefe umfassende Korrespondenz, welche die Beziehungen der Firma Kahlert in der Zeit von 1925 – 1938 zum Meisterfälscher Anton Konrad aus Dresden offenlegte. In der Septemberausgabe der Kunstzeitschrift «The Connoisseur» publizierte 1948 Schedelmann erstmals «The story of a remarkable forger».
Das Schaffen des Kunstschlossermeisters und Fälschers Anton Konrad (1879 – 1938) lässt sich in drei Perioden einteilen. Die Zeit vor 1914, in der er hauptsächlich «gotische» Schwerter, Panzerstecher und Landsknechtschwerter herstellte, die Jahre bis 1922 mit eisengeschnittenen und tauschierten Gefässen für Schwerter, Degen und Dolche und die letzte Periode 1923 – 1938, in deren Verlauf er, unterstützt und beraten von den Inhabern der Firma E. Kahlert, vor allem hochwertige, z. B. silberbeschlagene Griffwaffen produzierte. Als vielseitiger Mann dekorierte und komplettierte Konrad auch Harnische, lieferte u. a. Pulverflaschen und Pistolen oder machte aus einfachen Stücken «Prunkwaffen». Bevorzugtes Tätigkeitsfeld waren aber die Griffwaffen, wie wir einer Mitteilung an Kahlert entnehmen können, dem er zu verstehen gibt, dass er «lieber bei seinen Schwertern bleibt» als andere Aufträge auszuführen. Die Firma Kahlert kümmerte sich um den Vertrieb der Fälschungen und belieferte, weil der Absatz antiker Waffen in Deutschland stagnierte, auch aus Diskretionsgründen, bevorzugt ausländische Auktionshäuser, u. a. Sotheby’s in London sowie von 1927 – 1938/39 die Galerie Fischer in Luzern. Bereits in der am 2. August 1927 gemeinsam von Theodor Fischer und der Firma Kahlert & Sohn in Luzern angebotenen Schwerter-Sammlung des Ingenieurs Dreger, Berlin, kamen neben vorzüglichen originalen Stücken eine stattliche Anzahl von Konradwaffen unter den Hammer. Schon 1927 amtierte der Konservator des Schweizerischen Landesmuseums, Dr. E. A. Gessler, als Experte, der bei dieser Gelegenheit ein Konradschwert für das Museum erwarb.
Nachdem die Arbeiten Konrads im Gefolge von Schedelmanns Entdeckung aus den Vitrinen in die Museumsdepots verbannt wurden, verhelfen die sich wandelnden Wertungs- und Sammelkriterien den Erzeugnissen des «Meisterfälschers» – als Beispiele einer historisierenden Waffenproduktion des frühen 20. Jahrhunderts von oftmals hoher Qualität – zu neuer Wertschätzung.
Für seine Kopie eines Dresdener Reitschwertes verwendete Konrad eine originale Solingerklinge mit der Marke des 1640 nachweisbaren, vor allem im 3. Viertel des 17. Jahrhunderts tätigen, Johannes Wirsberg (Wirsberger).
Literatur: Erich Haenel, Kostbare Waffen aus der Dresdener Rüstkammer, Leipzig 1923, S. 116, Tafel 58a. Kienbusch Collection op. cit., S. 171, Nr. 364, Tafel 101. Hans Schedelmann, Konrad fecit, Zeitschrift für Waffen- und Kostümkunde, Heft 1, 1971, S. 54, Abb.11, vorliegende Waffe abgebildet. Hans Schedelmann, Kahlert – Konrad. Zur Geschichte eines der grössten Fälscherkomplotte im Waffenhandel, Gefälschte Blankwaffen, Bd. 2 der Reihe Kunst und Fälschung, Hannover 1980, S. 48, Abb. 2, vorliegende Waffe abgebildet. Schneider, Griffwaffen I op. cit., Nr. 63, Nr 62 der Auktion Dreger 1927. Dietmar Kroener, Original oder Fälschung? Dresdener Blankwaffenfälschungen von Anton Konrad nach Vorbildern aus dem Historischen Museum Dresden, Dresdener Kunstblätter, Nr. 2, 26. Jg. 1982, S. 56/63. Weyersberg, Solinger Schwertschmiede op. cit., S. 49/50, Tafel II, Marke Nr. 119.