Silbergefäss, unter Verwendung von gegossenen, geschmiedeten und ziselierten Teilen hergestellt, vergoldet. Sechskantige Parierstange, schmale, längliche Mitteleisen, Parierstangenarme gegen die Enden hin dünner werdend, Abschlüsse in Urnenform. Den Parierstangenkanten entlang verläuft als Dekor eine feine Perllinie. Griff beidseitig mit glatten, dunklen, zweifach vernieteten Hornplatten belegt. Im gewinkelten, gerundeten Knauffortsatz eine messingverkleidete, röhrchenförmige Öffnung für eine Tragkordel. Den Griffrücken und die Unterseite bedecken Silberschienen.
Breite Rückenklinge (Länge 72 cm, Breite 4,6 cm), der T-förmige, schienenartige Rücken endet im stark verbreiterten, zweischneidigen Ortdrittel. Das Ansatzdrittel der Klinge schmückt ganzflächig ein in Koft-gari Technik goldtauschierter, symmetrisch konzipierter, ornamentaler Rankendekor mit Punkten. Mit dunkelrotem Samt bespannte Scheide, berieben, Silbergarnitur, langes Mundblech, ein beidseitig mit Tragringen ausgestattetes Ringband, langer Stiefel. Die Garniturteile weisen gravierte Bordüren mit einem aus Blumen und Blättern kombinierten Ornament auf. Originale rote Schulter-Tragkordel aus Baumwolle, teilweise berieben, so dass der weiss-blaue Kern sichtbar wird.
Gesamtlänge: 86,2 cm, Gewicht (ohne Scheide): 785 g, Gewicht (mit Scheide): 1975 g
Provenienz: Vente Hôtel Drouot, Paris 3. 6. 1967.
Seit dem 16. Jahrhundert verunsicherten Piraten aus der «Berberei», Marokko, Algerien, Tunis, Tripolis das Mittelmeer, ihre räuberischen Aktionen dehnten sie auf den Atlantik und die Nordsee aus. Nach Interventionen Spaniens sowie anderen seefahrenden Nationen, war es die französische Regierung unter König Karl X, die mit der Absicht, von innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken, nach Provokationen des Dey von Algier im Januar 1830 militärische Massnahmen beschloss. Ein französisches Expeditionsheer erreichte am 5. Juli 1830 die Kapitulation des Dey, welcher das Land verliess. Der Widerstand gegen die Franzosen, welche die eroberten Gebiete unter ihrer Kontrolle behalten wollten, wurde von dem in Mascara residierenden Emir Abd el-Kadr (1808 – 1883) organisiert, der ein neues arabisches Grossreich aufzurichten beabsichtigte. Von 1832 – 1847 bekämpfte er hartnäckig mit wechselndem Erfolg die von Frankreich unter König Louis Philippe entsandten Truppenverbände. Bei Moulouia eingeschlossen, musste sich Abd el-Kadr im Dezember 1847 ergeben. Er wurde bis 1853 in Frankreich interniert und begab sich nach Izmir, später Damaskus ins Exil. Viala Charon (1794 – 1880), der als junger Genieoffizier 1815 schon bei Waterloo gekämpft hatte, wurde 1835 als Bataillonschef nach Algerien abkommandiert. Charon machte Karriere, wurde 1848 zum Divisionär befördert und amtierte 1848/49 als Generalgouverneur von Algerien. Bei welchem Anlass Charon 1845 den Säbel von Abd el-Kadr erhalten hat, entzieht sich unserer Kenntnis. In einem Brief vom 1. Juni 1928 bestätigte die Baronin André Charon, Paris, jedenfalls die Schenkung.
Entsprechende, mit Kreuzgefässen samt «Pistolengriff» (Mamelucke-hilt), mit breiten, im Ort zweischneidigen Klingen ausgestattete Waffen erscheinen in den Quellen und der einschlägigen Waffenliteratur zumeist unter dem Begriff «Kilidj». Die Waffe aus der Slg. Carl Beck ist ein schönes Beispiel eines sogenannten «Mameluckensäbels», der sich nach 1800 auch in Europa einiger Beliebheit erfreute (vgl. Kat. Nr. 19). Das vorliegende Exemplar wird nach orientalischer Art an einer langen, über die Schulter gehängten Kordel getragen. Für diese Tragart benötigt man nur ein einzelnes über der Scheidenmitte befestigtes Band, das auf beiden Seiten Ringe aufweist. Die Kordeln, «Habak», aus Baumwolle oder Seide wurden in grossen Mengen in Kairo hergestellt, in einem speziellen Basar angeboten und in die angrenzenden Länder exportiert.
Schon seit einigen Jahren bezeichnet man in der Literatur (Jacob 1985, Missillier/Rickets 1988, Katalog Riyadh 1991) ähnliche Säbel als «Pala» (Palah). Gemäss Seitz steht das türkische Wort «pala» für eine Griffwaffe, kann aber auch Ruder oder Paddel bedeuten. Die Zweitbedeutung dieses Wortes gibt zur Vermutung Anlass, dass diese Waffe mit einer relativ geraden Klinge ausgestattet sein könnte. Luigi Ferdinando Conte di Marsigli (1658 – 1730) informiert in seinem bekannten Werk «Stato Militare dell’Imperio Ottomanno», erschienen 1732, u. a. über die bei den Türken gebräuchlichen Griffwaffen, dabei liefert er unter der türkischen Bezeichnung «Palas» (Palas droit, autre espèce de Sabre) die Abbildung einer Waffe mit schwach gebogener, relativ breiter Rückenklinge sowie einem Gefäss, wie es für türkische Säbel des 17./18. Jahrhunderts üblich war. Mit den Namensgebungen, z. B. polnisch «palasz», ungarisch «pallos», französisch «palache» oder deutsch «Pallasch», welche die türkische Herkunft verraten, fand die mit einer geraden oder geringfügig gebogenen Rückenklinge versehene Reiterwaffe Eingang in die meisten -europäischen Armeen. Zaki, ein versierter Kenner der Materie, schrieb 1961 zu diesem Thema: «The kilij type with a slighter curve has another name – pallash or palache. It may be the Polish sabre ot the 17th cent.»
Wie bereits erwähnt, gelangt der Begriff «Pala» in jüngster Zeit auch noch für einige osmanische Säbel mit stark gekrümmter Klinge, im Ort breiter und zweischneidig, zur Anwendung. Als einer der ersten kommentierte O. Sermed Moukthar, Verfasser des 1921 in französischer Sprache publizierten Führers durch das «Musée militaire ottoman», den «Pala». Moukthar übersetzt «Pala» mit «Coutelas» und versteht darunter eine Griffwaffe mit schwach gekrümmter Klinge, seiner Meinung nach Vorläuferin des im 17. Jahrhundert an Bedeutung gewinnenden orientalischen Säbels. Diese Umschreibung rückt Pala typenmässig in die Nähe des «Pallasch». Eine weitere, widersprüchlich anmutende Definition findet sich in Moukthars Kapitel, «Sabre (Kylytch)». «Les sabres turcs dont la lame très courbe s’élargit à son extrémité pour former spatule, constituent ce qu’on appelle les Palas, ceux dont cette extrémité élargie se coupe carrément, s’appellent ordinairement cimeterres.» Die türkische Griffwaffe «Pala» (Palas) hat einerseits dem «Pallasch» Pate gestanden, andererseits wurde mit «Pala» im 19./20. Jahrhundert, eventuell schon früher, eine besondere türkische Säbelform in der Art des Säbels aus der Slg. Carl Beck bezeichnet. Der Begriff wird zwangsläufig wenig konsequent angewendet, weil über die konstruktionstechnischen Voraussetzungen, um eine Waffe als «Pala» einzustufen und vom sehr ähnlichen Kilidj abzugrenzen sowie über die ebenfalls geforderte Qualifikation «türkisch» wenig Klarheit besteht.
Literatur: Jacob, Armes blanches op. cit., S. 92/113. Grand Larousse Universel, Paris 1991, Bd. 1, S. 13/14, 289/290. Marsigli op. cit., 2. Teil, S. 12/13, Abb. Moukhtar, Musée militaire Ottoman op. cit., S. 70/72. Seitz, Blankwaffen II op. cit., S. 171. Splendeur des armes orientales, Katalog, Paris 1988, S. 42, Nr. 55, S. 44, Nr. 61, S. 45, Nr. 62/63. Weapons of the Islamic World op. cit., Nr. 9 ¬«Qilich», Nr. 15 «Qilich», Nr. 50 «Palah», Nr. 75 «Palah», Nr. 89 «Palah». A. Rahman Zaki, Introduction to the Study of Islamic Arms and Armour, Gladius 1961, Tome 1, S. 18/19.