Messinggefäss, aus gegossenen und ziselierten Teilen zusammengesetzt. Grosse Knaufkappe, als Dekor dient eine Panoplie mit zeitgenössischem Kriegsgerät, der Griffbügel endet in der Griffbasis. Bügelansatz, Mittelteil und die Griffbasis sind dekoriert. Kurzer Parierstangenarm, gerundeter Abschluss. Unregelmässig ovales, stark ortwärts gebogenes Stichblatt, Dekor: im Zentrum das Berner Wappen in einer barocken Kartusche, zwischen zeitgenössischem Kriegsgerät, Kanonen, Säbel, Fahnen etc., oben und unten ornamentale Abschlüsse. Griff mit rotem Stoff bespannt, darüber ein weitmaschiges Gitter aus feinem Messingdraht, auf der Griffvorderseite eine Griffschiene. Eine Zwinge mit gravierter Besitzerangabe: «SALOMON…EN…L…MAN» berieben und verwischt.
Rückenklinge (Länge 58,8 cm, Breite 3,2 cm), Hohlschliff, Ätzdekor: Trophäen, Ornamente und Rankenwerk.
Gesamtlänge: 74 cm, Gewicht: 595 g
Provenienz: Antiquar Otto Staub, Freiburg 1959.
Am 16. Januar 1760 genehmigte die bernische Regierung die neuen Uniformenordonnanzen für die deutsche und die welsche Infanterie. Eine neue Uniform, bestehend aus einem blauen Rock mit rotem Futter, roten Aufschlägen und Kragen, roter Weste und Hose, löste die bisherige weissgraue Uniform ab. Im Gegensatz zur deutsch-bernischen Infanterie trugen die welschen Einheiten seit 1751 blaue Westen und Hosen, die sie nach 1760 beibehalten konnten. Ausser der Uniformierung wurde auch die Bewaffnung neu geregelt. Von diesen Neuerungen waren auch die «Tambouren, Pfeifer und Läufer zur Fuss und zu Pferd» betroffen. Ihre Uniformen entsprachen seit 1760 derjenigen der Infanterie, sie hatten aber u. a. eine unterschiedliche Bewaffnung: «Tambours. Sollen gekleidet seyn, wie die Soldaten… Anstatt des Seitengewehrs sollen sie einen Hirschfänger tragen nach dem Modell». Auch für die Pfeifer und die berittenen Läufer wurde der Hirschfänger nach Modell zur Ordonnanz erklärt. Nur der Tambourmajor machte eine Ausnahme, er wurde mit dem Säbel für Wachtmeister dotiert. Über die Beschaffenheit des Hirschfängers kant. Ord. 1760 lässt sich in den Quellen leider nur wenig in Erfahrung bringen. Nach der am 5. Juli 1759 protokollierten Meinung des bernischen Kriegsrates gab dieser anfänglich einer Waffe mit glattem, eher massivem Messinggefäss den Vorzug. Am 18. Oktober einigte sich der Kriegsrat auf ein Modell, das am 16. Januar 1760 mit der Uniformenordonnanz vom Rat angenommen wurde.
Als Hersteller von Griffwaffenmustern resp. Modellen und als Zeughauslieferant trat in jener Zeit vor allem der Berner Degenschmied Johann Friedrich Gruner (1714 – 1762) in Erscheinung, der als Geselle in Deutschland, Dijon, Paris, Lyon und Genf tätig gewesen war. Ihm verdanken wir mit grosser Wahrscheinlichkeit auch den vorliegenden Hirschfänger. Es ist interessant festzustellen, dass das Zeugamt am 11. November 1759 und am 8. Januar 1760 mit zwei ortsansässigen Handwerkern, einem Sattler und dem Degenschmied Gruner, die Lieferung von «500 Hirschfängerkupel» zu 19 Batzen das Stück vereinbarte. Es wurden jedoch keine Hirschfänger in Auftrag gegeben. Das Zeugamt erhielt bis 1761/62 248 Hirschfängerkuppel, dann wurden die Lieferungen eingestellt, weil der an der Herstellung beteiligte Gruner 1762 verstarb. Dank 178 vom Zeughaussattler Waltert umgearbeiteten alten, vorhandenen Kuppeln besass man Ende 1762 insgesamt 426 Hirschfängerkuppel. In
Übereinstimmung mit der Zahl der bestellten und den tatsächlich gelieferten Hirschfängerkuppeln, ging der Kriegsrat ursprünglich von einem Hirschfängerbedarf von 400 – 500 Exemplaren aus. Im Unterschied zu anderen 1760 ebenfalls zur Ordonnanz erklärten Griffwaffen wurde von den Hirschfängern kein Vorrat angelegt. Es scheint, dass man nach dem Tode Gruners 1762, des fähigsten bernischen Degenschmieds, das Hirschfängerprojekt nicht mehr weiter verfolgte. Dies erklärt auch die Seltenheit dieser Waffe. Es sind zur Zeit nur fünf Exemplare bekannt, die Waffe aus der Slg. Carl Beck, ein Hirschfänger im Besitz des Musée ¬militaire vaudois, Inv. 274, mit gleichem Gefäss und einer alt ergänzten Klinge, ein Hirschfänger mit abgeändertem Gefäss (das Wappen auf dem Stichblatt wurde entfernt) sowie zwei weitere Waffen in Privatbesitz. Wie die Besitzergravur belegt, wurde die dekorative, wappengeschmückte Waffen zu Eigentum erworben. Gemäss Uniformenordonnanz 1760 gehörten Tambourmajoren sowie die Träger eines Hirschfängers zu den wenigen Milizangehörigen, deren Uniform oder Ausrüstungsteile zusätzlich mit einem gut sichtbaren Bernerwappen aufgewertet wurden. Es erschien beim Tambourmajor als versilbertes Abzeichen, als Trommeldekor sowie als Dekor auf dem blechernen Pfeifenkasten. Auch die Läufer zu Fuss oder zu Pferd trugen ein Messingabzeichen mit dem Bernerwappen.
Quellen u. Literatur: Staatsarchiv Bern – KRM 51, S. 196, 12. März, 1759. Armatur & Montur Nr. 179, D 113, S. 149/150, 152/153. Nr. 180, «Hirschfänger». Nr. 664, General-Inventarium 1753 – 1760. Nr. 682 k, 683 a, b, c., Zeughausrechnungen 1759 – 1763. F. Amiguet, Les milices vaudoises, Lausanne 1914, S. 159/161. Roland Petitmermet, Lucien Rousselot, Schweizer Uniformen/Uniformes Suisses, 1700 – 1850, Bern 1976, S. 34/36, Tafeln 20/21. Schneider, Schweizer Waffenschmiede op. cit., S. 125.