Messinggefäss, aus gegossenen und ziselierten Teilen zusammengesetzt, vergoldet. Einfach verschraubte Knaufkappe mit Löwenkopfabschluss, S-förmig, vertikal geschweifte Parierstange, achtkantige Parierstangenarme mit konischer Basis in Phantasie-Tierköpfen endend. Das knaufwärts gebogenen Ende des Parierstangenarmes wird durch eine grossgliederige Messingkette mit der Knaufkappe verbunden. Griffbasis beidseitig mit grossen spitzovalen Mitteleisen, Dekor: Vorderseite – weibliche, geschmückte Maske, Rückseite – Minerva mit lorbeerbekränztem Helm. Vierkantiger Ebenholzgriff, auf der Vorder- und Rückseite geschnittene Waffelmuster.
Volle Damast-Rückenklinge (Länge 75 cm, Breite 3 cm), sogenannte «Shamshir-Klinge». Scheide mit schwarzem Leder bespannt, auf dem oberen Scheidenrücken eine auf¬geschraubte Verschlusslamelle aus gebläutem Eisen. Messinggarnitur vergoldet, langes Mundblech, Dekor: grosse Trophäe in einer Kartusche, Ornamente. Zwei scheibenförmige Bänder mit Tragringen. Langer Stiefel, Dekor: Neptun auf dem Muschelthron in -einer Kartusche, grosses Blitzbündel und Ornamente. Rückseite der Garnitur weitgehend glatt, aus Zierrillen bestehende Bordüren.
Gesamtlänge: 89,8 cm, Gewicht (ohne Scheide): 870 g, Gewicht (mit Scheide): 1650 g
Provenienz: Antiquar Schwab, Bern.
Nach dem Sieg der französischen Armee unter dem Kommando des ersten Konsuls, General Bonaparte, über die Österreicher bei Marengo (Piemont, Oberitalien) am 14. Juni 1800 erhielten die beteiligten Generäle Victor, Lannes, Watrin, Gardanne und Murat, auf Veranlassung Bonapartes als Anerkennung einen «sabre de récompense nationale», einen Ehrensäbel mit Brevet. Diese in der Manufaktur von Versailles, seit 1792 unter der Leitung von Nicolas Noël Boutet (1761 – 1833), hergestellten Säbel wurden anscheinend mit ähnlichen Gefässen und Scheiden ausgestattet. Bekannt ist das für General Victor (1766 – 1841) bestimmte Exemplar, das sich heute im Musée de l’Armée in Paris befindet. Vergleichbar montierte Säbel wurden späterhin als «Sabre à la Marengo» bezeichnet. Als Vorlage für die fünf Ehrensäbel «à la Marengo» von 1800 diente sehr wahrscheinlich ein Ehrensäbel, den das Direktorium nach Abschluss des Friedens von Campo Formio vom 17. Oktober 1797 General Bonaparte zukommen liess. Die von Boutet signierte Waffe mit einem Gefäss und einer Scheide aus Gold weist mit einer Löwenkopfknaufkappe samt Griffkette, einer S-förmig geschweiften Parierstange und grossen Mitteleisen bereits alle charakteristischen Merkmale der Gefässe «à la Marengo» auf. Dieser Gefässtyp wurde um 1800 auch von anderen Pariser Ateliers in die Produktion aufgenommen.
Eine Waffe mit einem entsprechenden Gefäss aus Silber und einer Silberscheide, eine
vorzügliche Arbeit des in Paris tätigen Goldschmieds Jean Mignard (1798 Meister), lässt sich dank den Kontrollmarken in die Zeit von 1798 – 1809 datieren. Das von Mignard gestaltete Gefäss, vor allem die Parierstange mit den Tierkopfenden und die Mitteleisen stimmen auffallend mit dem Gefäss der vorliegenden Waffe überein. Ein Beleg, dass nicht nur der von Napoleon favorisierte Boutet und die für ihn tätigen Goldschmiede, wie z. B. Martin Guillaume Biennais (1764 – 1843), in der Lage waren, nachahmenswerte Griffwaffengefässe von überdurchschnittlicher Qualität zu liefern. Als Hersteller dieses etwas pompös, schwerfälligen Gefässes samt entsprechender Scheidengarnitur kommen in Anbetracht der verarbeitungsmässig guten Qualität Goldschmiede, versierte «Bronziers» oder Gürtler in Frage.
Ein über Sotheby’s verkaufter Säbel mit einem sehr ähnlichen, möglicherweise auf den
gleichen Gussmodellen beruhenden Gefäss trägt die Signatur des Pariser «Fourbisseurs» Louis Joseph Deveaux oder Devaux (Meister 1757), der 1805 – 1810 für die kaiserliche
Garde arbeitete. Über die Produktionsabläufe für hochwertigere Griffwaffen, Directoire bis Ende Empire, sind wir mit Ausnahme der Manufakturen von Versailles und Klingenthal, und auch dort nur rudimentär, schlecht informiert. Das gleiche gilt für den anhand der Waffen festzustellenden Formen- und Dekortransfer, ein notorisches Defizit, eine Feststellung, die auch für Griffwaffen früherer Jahrhunderte zutrifft. Die aus dem Orient, wohl Persien, stammende ältere Damastklinge sowie die beiden Ringbänder sind Elemente, die für zeitgenössische Säbel im Mameluckenstil typisch sind (vgl. Kat. Nr. 24).
Literatur: Aries, Armes blanches op. cit., Vol. XXI 1973, «Montures à la Marengo». Maurice Bottet, La Manufacture d’Armes de Versailles, Boutet Directeur Artiste, Paris 1903, S. 53/54, Nrn. IV u. XVI. Collection d’un amateur, Piasa/Drouot Richelieu, Paris, 15. 11. 2000, Nr. 31. Lhoste/Resek, Sabres op. cit., S. 54/62, 64/65. La manufacture d’armes de Versailles et Nicolas Noël Boutet, Katalog, Musée Lambinet, Versailles 1993, S. 162/164. Sotheby’s, Arms & Armour, Sussex, 13. 7. 1999, Nr. 107. Le «Qui est qui» de l’arme en France de 1350 à 1970, La Tour du Pin, 2001, Bd. 1, S. 143.